Altlasten im Coaching-Prozess – oder über die Macht der Gefühle

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Altlasten im Coaching-Prozess – oder über die Macht der Gefühle

von Markus Jensch

Wenn ein Coach mit einem Klienten arbeitet, kommt es immer zu gegenseitigen Überlagerungen alter Erfahrungsmuster. Alte Erfahrungen mit positivem, neutralem oder negativem Beigeschmack werden im Verlauf des Beziehungsgeschehens wiederbelebt (reaktualisiert). Die dann aufsteigenden Gefühle können sich im weiteren Verlauf ändern – ja sogar gegensätzlich ausfallen. Aus anfänglicher Sympathie kann Ablehnung entstehen und umgekehrt kann anfängliche Antipathie in Sympathie umschlagen.

Wie können wir uns solche „aufgewärmten“ Erfahrungen plastisch vorstellen? Was können wir dagegen tun? Oder können wir sie gar befruchtend in unsere Arbeit einbeziehen?

Als sich vor hundert Jahren Carl-Gustav Jung in eine Patientin verliebte und dadurch der Erfolg seiner therapeutischen Arbeit massiv gestört wurde, riet sein Kollege Sigmund Freud zur „Abstinenz“. In ihrem weiteren kollegialen Austausch beschlossen die beiden Analytiker, für analytisch arbeitende Kollegen eine Lehranalyse verpflichtend einzuführen. Ziel dieser Lehranalyse sollte sein, alte, verdrängte Beziehungserfahrungen aus dem Unterbewusstsein „hoch“ zu holen und mit dem Lehranalytiker so zu bearbeiten, dass sie erkannt, benannt, besprochen und ihrer (zer)störenden Einflüsse weitgehend beraubt werden.

So weit zu den Anfängen des Kapitels „Übertragung und Gegenübertragung“

in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.

Ob wir die Ausgangpunkte solcher Schwingungsüberlappungen nun als „verdrängte Inhalte“, als „Konditionierungen“ oder als „zum Lebensstil unpassende Ereignisse“ bezeichnen – Tatsache ist, dass diese Phänomene existieren, und dass sie unser Beziehungsgeschehen maßgeblich beeinflussen. Es ist daher unumgänglich, sich als psychodynamischer Coach mit seinen Altlasten auseinanderzusetzen – und das nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Ich möchte mich im Rahmen dieser Betrachtung auf solche Erfahrungen beschränken, die oftmals zu erheblichen Beziehungsstörungen führen und eine erfolgreiche Zusammenarbeit verhindern können:

Normalerweise reagiert ein Coach auf die Gefühlsprojektion (-übertragung) seines Klienten mitfühlend, erklärend und beruhigend. Im Kugelmodell befindet sich der Coach dann weitgehend im blauen Kern, den ich gerne auch „Coaching-Zone“ nenne. Die Gefühlsübertragungen des Klienten ordnet er – zusammen mit dem Klienten – dessen Alt-Erfahrungen zu, die in bestimmten Situationen auf den Plan gerufen werden. Wenn in solchen Situationen eine „alte Wut“ hochkommt, sieht der Klient überwiegend „Rot“ und agiert bzw. reagiert eingeengt als hätte er Scheuklappen auf. Diese alte Wut wird einer Erfahrungsstruktur zugeordnet, die dann klar benannt wird. Mit dem Erkennen der Struktur wird die Altlast Stück für Stück entschärft. Es ist so, als ob wir aus einer alten Bombe den Zünder entfernen würden. Nun müssen wir uns vorstellen, dass die entschärfte Bombe in einem Minenfeld liegt, in dem noch weitere scharfe Bomben ähnlicher Bauart liegen. Bei einem Coaching haben wir es meistens mit einer oder wenigen scharfen Minen zu tun. Hätten wir ein ganzes Minenfeld zu bearbeiten, wäre ein Coaching ungeeignet – eine längere Behandlung (Psychotherapie) wäre erforderlich.

 

Zurück zum Coaching: Nun kann der Fall eintreten, dass der Klient durch sein Verhalten beim Coach eine Altlast anspricht, die dieser nicht oder nur teilweise bearbeitet hat. So kommt es zur Gegenübertragung unbewusster Anteile des Coaches auf den Klienten. Der Coach verspürt dies an eigenen Gefühlen der Verunsicherung – wenn er z.B. seinen Klienten ablehnt, wütend oder enttäuscht ist. Auch wenn sich Sehnsüchte, sexuelle Erregungen oder starke Beschützergefühle einstellen, sind gefährliche Gegenübertragungen im Spiel.

 

Nun könnte der Coach im Rahmen eines kurzen Coachings solche Regungen herunterspielen. Wirksam sind sie beim Klienten dennoch und hinterlassen einen Beigeschmack. Durch das Herunterspielen verpasst der Coach eine Chance, dem Klienten die Plattform zur Austragung eines „Muster“-Konfliktes  zu bieten. Genau genommen sind solche gefühlsmäßigen Störungen eine wichtige Grundlage zur Aufdeckung der eigentlichen Probleme des Klienten.

 

Die noch wirksame Altlast des Coaches sorgt dafür, dass er auf Verhaltensangebote des Klienten „anspricht“. Sein Gefühls-Seismograph ist auf „hoch-empfindlich“ eingestellt. Diese Empfindlichkeit sollte sich der Coach zunutze machen, mit dem Klienten auf dessen Schwachstelle näher einzugehen. Der Coach wirkt dann wie ein Vergrößerungsspiegel, in dem man die (Haut)Unreinheiten besonders gut erkennen kann.

 

Problematisch wird die Gegenspiegelung dann, wenn der Coach seine Altlast noch gar nicht auf seinem Radarschirm wahrgenommen hat. Unreflektierte Altlasten können im Coachinggeschehen dann schnell zum zweiten Minenfeld erwachsen. Man kann dann nur hoffen, dass das Coaching nur von kurzer Dauer ist, denn bei längerer Dauer wird der Tritt auf die verborgene Mine immer wahrscheinlicher.

 

Im unten gezeigten Bild sehen wir zwei Dreiecke: Wenn durch das Verhalten des Coaches beim Klienten eine massive Altlast angesprochen wird, ist mit starken Wellen (Schwingungen, Reaktionen) in Richtung der Beziehungspfeile zu rechnen. Diese starken Wellen werden – bei entsprechender Konstellation – den Coach an seinem eigenen sensiblen Punkt treffen. Hat er selbst diesen Punkt bearbeitet, wird seine Gegenreaktion beherrschbar ausfallen.

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    Bild 1: Altlasten im Coachingprozess/                    © M. Jensch, 12/2011

 

Das linke kleinere Dreieck bildet den Vergrößerungsspiegel des Coaches ab. Beide Wellen der Altlasten schlagen im Beziehungsfeld aneinander und sorgen für diagnostisch wertvolle Turbulenzen. Wer als Coach solche Turbulenzen erklärend aufgreifen kann, bringt den Klienten seiner Hauptstörquelle näher. Dessen Altlast kann auf diese Weise von den tieferen Schichten aus aufsteigen – dem Bewusstsein entgegen. Der unbewusste, unerkannte Hebelarm wird dadurch in Zukunft kleiner und weniger (zer)störend.

 

Das kleinere Risiko besteht darin, dass der Coach im flachen Becken fischt und bei eher bekannten und weitgehend bearbeiteten Problemen des Klienten bleibt. Die Gefahr, dass eigene Altlasten ins Spiel kommen, ist dann natürlich geringer. Jeder Coach muss wissen, wie weit er sich vortrauen kann und möchte. Eines bleibt jedenfalls sicher: Um die Wirkung der Gegenübertragung kommt kein Coach herum.

 

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