Interview von Matthias Menges mit Markus Jensch über das Modell SYNCHRONIZiNG®

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Dieser Beitrag war ursprünglich als Vorstellung des Modells SYNCHRONIZING® im Rahmen des Blogs eines Motivationstrainers gedacht. Um meine Stellungnahmen auch den Leser/innen meines Blogs zugänglich zu machen, habe ich mich entschlossen, das kurze Interview hier einzustellen.

 Hallo Herr Jensch, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich für unser Interview Zeit nehmen konnten. Für unsere Leser, die Sie noch nicht kennen: Würden Sie sich bitte einmal kurz vorstellen.

 Jensch: Ich bin Jahrgang 1944, habe Psychologie in Frankfurt und Köln studiert und danach eine Ausbildung zum Psychoanalytiker (DGIP) in Aachen absolviert. Mein Spezialgebiet heute ist die Kompakt-Psychotherapie und das Coaching.

Sie sind ja im individualpsychologischen Bereich tätig und coachen dort Menschen, die aktiv etwas an ihrem Verhalten, ihrer Kommunikationstechnik und ihrem Einfluss auf andere Menschen verändern wollen. Dazu haben Sie SYNCHRONIZING® entwickelt. Wie würden Sie das Modell in wenigen Sätzen zusammenfassen?

Jensch: SYNCHRONIZING® ist ein psychodynamisches Strukturmodell, das äußerlich wie eine Kugel ausschaut. Die drei Achsen, aus denen sich das Modell zusammensetzt, sind in den ersten drei Lebensjahren „entstanden“. Zuwendung und Zurückhaltung prägen das erste Lebensjahr, Selbständigkeit und Kooperation werden im zweiten Lebensjahr ausgebildet und trainiert und im dritten Lebensjahr kommen dann die Durchsetzung und der Kompromiss hinzu. Es handelt sich um drei Polaritäten, die beständig unser Denken, Handeln und Fühlen gestalten. Und jeder von uns hat gewisse Präferenzen – ich nenne sie „Spielfelder“ – innerhalb derer er/sie sich gerne und überwiegend „bewegt“. Durch diese Aufteilung ergeben sich acht Spielfeldebenen mit jeweils komplementären Gegen-Spielfeldern.

Auf Ihrer Homepage zeigen Sie ein Bild eines Kugelmodells, anhand dessen offenbar jeder Mensch in eine oder mehrere Abschnitte der Kugel einsortiert werden kann. Könnten Sie uns das Modell erklären

Jensch: Dazu brauchte ich eigentlich mehrere Seiten – das ist für diesen Zweck etwas zu aufwändig. Aber ich versuche, es kurz zu erläutern: Ich habe zur vorhergehenden Frage bereits gesagt, dass die Kugel in acht Spielfelder eingeteilt ist. Daraus ergibt sich, dass es nicht um ein „Einsortieren“ geht, sondern um variable Segmente der Kugel, innerhalb derer sich die Menschen – je nach Aufgabe – bewegen können. Wer flexibel ist, kann sich auf vielen Ebenen bewegen, wer unflexibel ist, kann vielleicht nur zwei oder drei Ebenen nutzen. Ein Beispiel: Ein typischer Chef spielt seine drei typischen Präferenzen gegenüber anderen aus: Er ist überwiegend durchsetzend, eher selbständig als kooperativ und sehr zugewandt zu seinen MitarbeiterInnen. Mit diesen Präferenzen befindet er sich im Spielfeld 1: Er kann gut Entscheidungen treffen, leitet seine MitarbeiterInnen effektiv und gerne und kann diese dabei auch relativ gut integrieren. In Drucksituationen geht er vorübergehend in die Zurückhaltung, hakt nach, wo noch Unklarheiten sind und zeigt eine gute Fähigkeit zur konstruktiven Kritik: Nun spielt er auf dem Spielfeld 2, auf dem die Zuwendung keine wesentliche Rolle spielt.

Innerhalb der Kugel gibt es drei sogenannte Aggregatzustände: Grün, Gelb und ROT. Die Farben sind an das Modell der Ampelschaltung angelehnt. Solange er gemeinschaftlich voran geht, wird er sich überwiegend in den Bereichen Grün und Gelb bewegen. In Grün ist alles eben im „grünen Bereich“, in Gelb herrscht Anspannung: Anpassung bzw. Veränderung ist angesagt. Ein gesunder, flexibler Mensch, wird sich locker auch im Spannungsbereich bewegen und damit die Voraussetzungen für Veränderung schaffen. Rot ist – sofern es nur kurzfristig eintritt – ein Ausnahmezustand, der üblicherweise bei Stress auftritt. Ich habe einen kleinen grünen Quetschball in einem Spielzeuggeschäft gefunden, der bei Druck auf die Mitte rot gefärbte „Beulen“ nach außen drückt. Solche Beulen kann man sich als Symptome vorstellen, die eben unter starkem Druck entstehen. Dauert der Druck lange an, ergibt sich eine Verhärtung der Stresssituation, die dann zu Extremsituationen des Verhaltens, ja sogar zu Charakterveränderungen führen kann.

Eine weitere Eigenart des Modells besteht darin, dass es sogenannte komplementäre Spielfelder  gibt. Spielt ein Arbeitspartner zum Beispiel auf dem Komplementärfeld, dann ergänzt er sich meist gut mit dem Spielpartner. Geraten jedoch unter Extremdruck beide Partner in Rot, ergibt sich eine besonders explosive Mischung, wie bei Lebenspartnern, die im „Rosenkrieg“ miteinander stehen. Ich spreche in diesen Zusammenhängen auch von „psychomagnetischer“ Verbindung, die zu extremen Formen der Anziehung bzw. der Abstoßung führen können – je nachdem, wie die Pole der Magnete zueinander gedreht sind.

Für das Konfliktmanagement sind solche Spielzüge und Positionierungen zueinander besonders interessant. Auch deren Bearbeitung kann mit dem Kugelmodell elegant vollzogen werden. Für BMW haben wir vor mehreren Jahren ein innerbetriebliches Mediationskonzept erstellt, das mit diesen dynamischen Erkenntnissen systematisch arbeitet.

Der Autor sieht sich als Mensch, der gut vermitteln und nach Lösungen suchen kann. Unter Druck neigt er wahlweise zum Rechtfertigen oder zum Gute-Miene-Machen und kann auch ganz gut ausgleichen und „die Kuh vom Eis“ bringen. Von daher gibt Ihr Modell den Charakter des Autors wirklich relativ präzise wieder. Kann man sagen, dass jeder anhand Ihres Modells die Möglichkeit hat, sich und sein Gegenüber ebenso präzise einzuschätzen?

Jensch: Ja, ich denke, dass sich jeder Mensch recht schnell mit dem Modell valide einschätzen und besser kennenlernen kann. Aber das ist ja nur der kleine diagnostische Teil, der der Selbstoptimierung voraus gehen muss. Der Vorteil eines solchen „optisch-psychologischen“ Modells besteht darin, dass man regelrecht „sehen“ kann, in welcher „Verfassung“ man sich befindet. Das ist – wie ich schon oben sagte – gerade für die Herren der Schöpfung ein großer Vorteil. Psychologie, die sich nicht im Ungefähren bewegt, sondern die klare Strukturen aufzeigt – das mögen Männer besonders gern.

Wenn man sich die Kugel so anschaut: Scheinbar zeigt jeder Mensch unter Stress negative Eigenschaften. Wir lesen da Wörter wie zwingen, verweigern, aufbauschen, aber auch immer einen Pfeil, der auf eine positive Lösung der Situation weist. Da wäre zum Beispiel Zuwendung, Selbständigkeit und Durchsetzung. Sehen wir das richtig, dass jeder, egal welcher Grundtypus man ist, jede dieser Lösungen erreichen kann? Der Autor als lösungssuchender Mensch wäre nach seinem Verständnis des Kugelmodells dann auch zur Durchsetzung fähig. Oder gibt es Menschen, denen es nie richtig gelingen wird, sich in Job und Privatleben durchzusetzen?

Jensch: Viele Fragen auf einmal! Jeder Mensch kann sich – wenn er das möchte – in jede Richtung orientieren und mit viel Übung auch einen neuen Verhaltensstil aufbauen. Aber: Aus einer Antilope sollte man kein Nashorn machen wollen. Wir haben einen – meist erfolgreichen – Lebensstil aufgebaut und tief eintrainiert. In Krisensituationen stoßen wir manchmal an die Grenzen unserer Flexibilität. Dann tut eine Korrektur durchaus gut. Und das ist mit vergleichsweise wenigen Stunden (ich spreche von unter zwanzig Stunden) möglich. Ein Mensch, der die Kompromissbereitschaft und –Fähigkeit gut beherrscht, kann sich damit auch durchsetzen. Er muss dazu keinen typischen Durchsetzungsstil erlernen. Das könnte sogar sehr negativ für ihn ausgehen, sollte er sich dazu durchringen wollen. Wichtig, ist, dass wir uns in unserem „Grünen Bereich“ sicher bewegen und vom Komplementärverhalten ein wenig hinzu lernen.

Mal angenommen, jemand hat einen cholerischen Chef und möchte eine Gehaltserhöhung durchsetzen. In der Firma ist allerdings allgemein bekannt, dass der Chef jede derartige Forderung im Keim erstickt, dabei auch in der Regel lauter und gehässig wird. Was würden Sie diesem jemand raten?

Jensch: Ganz spontan wollte ich raten, schnell den Arbeitsplatz zu wechseln… Nein: Das kann man natürlich hinbekommen. Wenn der Kollege lernt, die Mitmenschen besser zu „lesen“ – also die Gründe und Ziele ihres Verhaltens zu verstehen, dann sollte er einen (seinen) Weg finden, die Gehaltserhöhung zu erreichen. Ein wie oben beschriebener Chef hat ja seine Gründe, warum er so ist, wie er ist. Auch er braucht Verständnis und Zuspruch. Die Strategie, die der Kollege einschlagen müsste, sollte allerdings vorher gut überlegt sein. Ich spreche in solch einem Fall vom Beziehungsschach, das wir mit derart kapriziösen Menschen gedanklich spielen können. Mit “Forderungen“ sollte er allerdings diesem Chef nicht ungestüm gegenüber treten.

Dieser jemand ist ein zurückhaltender Typ, der eher „klein bei gibt“ als eine offene Konfrontation zu suchen. Wie genau muss der Jemand sich verhalten, damit die Gehaltserhöhung durchgesetzt wird?

Jensch: Ich würde ihm aufzeigen, dass er sich selbst durch Eigendruck in die Position des „Klein-bei-Gebens“ manövriert. Er muss verstehen, wozu er das tut. Und danach muss er ein kleines Training machen, das sicher stellt, dass er nicht automatisch in sein altes, malignes Verhaltensmuster fällt. Er hat aber in dem Spielfeld 7, das Sie gerade beschrieben haben, wunderbare Verhaltensweisen in „Grün“, mit denen er diesen Chef-Typ gewinnen kann: Er kann hervorragend ausgleichen und kann sich in sein Gegenüber einfühlen. Das ist meines Erachtens eine große Stärke von ihm. Diese sollte er halt nicht in eine Schwäche uminterpretieren.

Viele unserer Leser haben Probleme damit, sich gegenüber anderen durchzusetzen. Kann man sagen, dass ein bestimmter Typ Mensch besonders durchsetzungsschwach ist und ein anderer hingegen das geborene Alphamännchen, der spielend Einfluss auf andere nehmen kann?

Jensch: Nein: alle haben ihr Verhalten gelernt und sich dafür entschieden. Wenn jemand sich mehr durchsetzen möchte, kann er das lernen. Das ist von allen Übungen übrigens die leichteste. Denn das Durchsetzen hat sich im Wesentlichen im dritten Lebensjahr entwickelt. Und da sind wir Menschen schon relativ rational getaktet – nicht mehr so emotional wie in den beiden Jahren zuvor. Und mit der körperlichen Statur hat die Durchsetzung keine signifikante Korrelation. Denken wir an die vielen kleinen, schmalen Frauen, die ihre Männer am „Nasenring“ führen.

Individualpsychologische Beratung ist nichts, was man „mal eben zwischendurch“ in Anspruch nehmen kann. Hätten Sie trotzdem einen Tipp, was unsere Leser in kürzester Zeit machen könnten, um andere Menschen mit Spaß von ihrer Sache zu überzeugen? Ein Erste-Hilfe-Koffer, wenn man so will?

Jensch: Individualpsychologische Beratung kann man meines Erachtens schon „mal eben zwischendurch“ in Anspruch nehmen – das ist ja das Besondere daran gegenüber einer Psychotherapie. Schon zweimal drei Stunden können eine enorme Entlastung bieten und einen Gewinn an Lebensqualität bringen. Genau deshalb habe ich mein therapeutisches Arbeiten an den Nagel gehängt: Viele Menschen, die in einer Krise stecken, brauchen kein ganzes Jahr, um ihren „Juckepunkt“ – wie ich ihn nenne – schnell und effektiv zu erkennen und zu bearbeiten. Dazu braucht es allerdings eine Choreografie des Beratungsablaufes, die sicher stellt, dass dieser Punkt auch diagnostiziert und couragiert angegangen wird. Diese Choreografie habe ich in jahrzehntelanger Arbeit herausgetüftelt. Nicht die Anzahl der Stunden bringt dem Klienten den Gewinn, sondern die synchronisierte, qualitativ gute Arbeit mit besonderen Werkzeugen: dafür stehen z.B. meine sehr effektiven projektiven Methoden, die ich in Laufe der Jahre zu einem Ablauf komponiert habe, der relativ sicher den schnellen Erfolg bringt. Deshalb habe ich mich dazu durchgerungen, am Ende meines langen Arbeitslebens diese Methoden meinen Kolleginnen und Kollegen beizubringen.

Kann man eigentlich sagen, dass Frauen seltener in Führungspositionen sind, weil sie vom Wesen her anders strukturiert sind? Denn in ihrem Modell stehen Eigenschaften wie vermitteln, kontakten und überzeugen direkt unter dem Pfeil Richtung Durchsetzung. Und diese Eigenschaften werden doch häufig explizit Frauen zugeordnet. Warum fällt es vielen Frauen so schwer, sich gerade im Beruf gegen die Männerwelt zu behaupten?

Jensch: Ich habe in den letzten Jahren immer häufiger erfahren, dass sich die Frauen mehr und mehr in Führungspositionen hineingearbeitet haben. Ich war im Rahmen eines Projektes kürzlich häufig in Schulen. Da hat eine kleine Schülerin ihre Mitschülerin angeschubst und gesagt: „Guck mal – da ist ja ein Mann!“ Kinder werden von klein auf von Frauen „geführt“. Auf mittlerer Führungsebene finden wir heute in vielen Berufen mehr Frauen als Männer. An den Universitäten studieren mehr Frauen als Männer. Im Studiengang Medizin und Zahnmedizin gibt es mehr Frauen als Männer – das gilt auch für das Fach Psychologie. Mehr Frauen erlangen die Eingangsvoraussetzungen für Studiengänge, weil sie bessere Noten im Schulabschluss erlangen. In wenigen Jahren wird es kaum noch männliche Zahnärzte geben. Und schauen Sie mal die Partnerschaften an, wer da das Sagen hat. Die Frauen sind dabei, Männer in allen Bereichen zu überholen. Vielleicht gilt Ihre Eingangsfrage für den Bereich des Top-Managements. Da halten die Männer noch eng zusammen und lassen die Frauen (noch) nicht durch. Aber das ist eine Frage der Zeit. Dann müssen wir „Schonprogramme“ für Männer auflegen, damit sie nicht gänzlich zurück fallen.

In Ihrem Beruf dreht sich alles um die richtige Kommunikationstechnik. Würden Sie der Aussage zustimmen, dass die richtige Kommunikationstechnik der Schlüssel zum Erfolg ist? Ist der, der gut reden kann, im Vorteil?

Jensch: Kommunikation ist ja nicht nur Reden: Der Gesamtauftritt – neudeutsch: die performance – ist entscheidend für den Erfolg. Aber sie haben schon recht: Wer gut reden kann, hat einen Vorteil. Und da sind die Frauen in der Regel den Männern überlegen. Aber zum Reden tritt ja noch eine wichtige Komponente hinzu: die Fähigkeit, zu strukturieren. Meine Erfahrung ist, dass derjenige erfolgreich ist, der ein gerüttelt Maß an Mut mitbringt, sich in Szene zu setzen. Mut, Selbstvertrauen, Kommunikationsfähigkeit und Strukturierungsfähigkeit sind die Schlüssel zu Erfolg. Diese vier Eigenschaften müssen passend orchestriert sein, damit daraus ein erfolgreiches Verhalten generiert werden kann.

Eine letzte Frage zum Schluss: Theoretisch kann man ja anhand Ihres SYNCHRONIZING® Modells jeden Menschen analysieren, einordnen und hat somit die Lösung parat, um sein Gegenüber zu manipulieren, also Einfluss auf eine andere Person zu nehmen. Könnte demnach aus dem allerruhigsten, schüchternsten Mauerblümchen der Chefverkäufer des Jahres werden?

Jensch: Theoretisch: Ja – praktisch: Nein! Natürlich kann das Modell SYNCHRONIZING® missbraucht werden, um andere Menschen zu manipulieren. Das gilt für jedes Werkzeug. Im schüchternen Mauerblümchen steckt in der Regel eine Menge Potenzial. Wenn es gelingt, die fest angezogenen Bremsen zu lösen, dann kann das ehemalige Mauerblümchen gut in Fahrt kommen. Ich spreche manchmal davon, dass wir die Methode wie „Caramba“ zum Einsatz bringen: Caramba löst den Rost zwischen Schraube und Mutter langsam auf. Die Auflösung der „Hemmung“ ist zum Start des Coachings zwingend nötig. Dann kommt in weiteren Coaching-Sessions der Aufbau weiterer mutiger Strukturen – ich spreche auch von Ermutigung – die zum befreiten, erfolgversprechenden Denken und Verhalten führen. Diese Entwicklung kann man im Strukturmodell SYNCHRONIZNG® richtiggehend „sehen“. Und gerade das ist das Neue an diesem Konzept: die geniale Visualisierung psychischer Strukturen und Abläufe.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

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